Kerntechnische Anlagen werden weltweit am intensivsten auf mögliche Risiken untersucht und durch externe Stellen geprüft, um grösstmögliche Sicherheit vor den Folgen eines Stör- oder Unfalls zu garantieren.
Trotzdem ist die 57jährige Geschichte der Kernkraftnutzung eine Un- und Störfallgeschichte sondergleichen.
In dieser Zeit ereigneten sich in den „sicherheitstechnisch immer auf dem neusten Stand stehenden“ Werken nicht weniger als 29 Unfälle (INES-Stufe 4 oder höher).
Auch das Land mit den strengsten sicherheits-technischen Auflagen (Eigenwerbung), die Schweiz, musste 1969 bei Lucens mit einem Unfall der Stufe 4-5 fertig werden. Auch dieser Unfall lehrte uns nicht wirklich: Es kam in der Folge zu mindestens 12 grösseren Störfällen allein in der Schweiz.
Der Hotline-geplagte Leser oder die reparaturtüchtige Heimwerkerin wird fragen, wo liegt das Problem? Das gehört zu unserer Technikwelt, der Computer streikt halt von Zeit zu Zeit und das Tropfen des Wasserhahns kann locker selbst behoben werden.
Stimmt, aber wie Fukushima (INES 6), Tschernobyl (INES 6), Lucens oder auch Leibstadt zeigen, überfordern Un- oder Störfälle bei kerntechnischen Anlagen nicht nur Laien sondern auch die weltbesten Ingenieure. Niemand weiss, was genau sich in den Reaktorblöcken von Fukushima abspielt, da ist das ganze System ausser Kontrolle geraten. In Tschernobyl bleiben ganze Landstriche für mindestens 50’000 Jahre unbewohnbar, für die Stilllegung von Lucens wurden mehr als vier Jahre benötigt, sogar die simple Reparatur eines Generators ausserhalb des radioaktiven Kreislaufs bei Leibstadt dauerte 5 Monate. Wir nutzen also Anlagen, die wir immer mal wieder nicht beherrschen, die – wenn sie einmal ausser Kontrolle geraten – ganze Landstriche verwüsten, die weltweit unser Wasser und unsere Nahrung mit tödlichen Schadstoffen belasten und die nur mit höchst aufwändigen Massnahmen betrieben werden können. Ausserdem beschert diese Technik unserer Welt bei einer Nutzungszeit von vielleicht 100 oder 150 Jahren nicht kontrollierbare Altlasten für mehrere 100’000 Jahre.
- Wann lernen wir, dass der Ausstieg aus dieser Technik schon mittelfristig die billigere Lösung darstellt, dass Solardächer, Windturbinen, Biogasanlagen, ja sogar Staudämme immer zugänglich bleiben werden, einfach repariert werden können und sogar im grössten Schadenfall ein wesentlich kleineres Zerstörungspotential aufweisen als ein AKW?
- Wann lernen wir, dass wir damit sogar den Wirtschaftsstandort Schweiz unterstützen? AKW-Technologie muss im Ausland eingekauft und mit ausländischem Personal aufgebaut werden. Solardächer, Windräder, Biogasanlagen, Staudämme, das gibt es alles aus heimischer Produktion.
- Wann lernen wir, dass die grossen Stromproduzenten uns die drohende Strommarktlücke vor allem deshalb einreden, weil sie um ihre Profite bangen?
- Wann lernen wir, unserem eigenen Urteilsvermögen zu trauen?
Wir können uns eine solide umweltverträgliche, beherrschbare und bezahlbare Energiezukunft aufbauen – wir müssen nur wollen!
Lorenz Nägeli, Marthalen, Vorstandsmitglied KLAR! Schweiz